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Im Gespräch: Prof. Dr. Rainer Dollase (re.), Bielefelder Sozialwissenschaftler |
"Man muss den zwingenden Eindruck haben, dass die kulturelle, ethnische, religiöse oder nationale Zugehörigkeit eines Menschen von außerordentlicher Wichtigkeit ist.
Diese Botschaft vermitteln Forschung, politische Geschehnisse wie Rassenunruhen, interethnische Konflikte, die sozialwissenschaftliche Forschung, für die dies ein universalistisches Gesetz ist, aber auch der tägliche, aktuelle und historische Augenschein: Menschen mit anderer Hautfarbe, mit anderer Religion sind eine Bedrohung für den Zusammenhalt einer Gesellschaft all überall auf der Welt. Die "Nichthintergehbarkeit ethnischer Wir-Gefühle" (Hondrich, 1996) oder der "eigene, unvermeidliche Ethnozentrismus" (Nieke, 1995) markieren ebenso wie die Wendung von der "Asozialität der Gefühle" (Dollase, 1996) ein resignierendes Eingeständnis an der Essentialität, d.h. Wesentlichkeit, und Salienz, d.h. Bedeutsamkeit, ethnischer, kultureller, nationaler und religiöser Zugehörigkeiten.
Angesichts der überwältigenden Belegbarkeit von Essentialität und Salienz ethnischer, kultureller, religiöser und nationaler Zugehörigkeiten muss die gegenteilige Beweisführung von der eigentlichen Unwichtigkeit solcher kategorialen Zugehörigkeiten wie Blindheit gegenüber der Realität, den Forschungsergebnissen und den allgemeinen Common-sense- Einschätzungen aussehen. In der Tat lassen sich aber Argumente für die gegenteilige Position durchaus finden. In der modernen Sozialpsychologie bei Tajfel & Turner bzw. Rabbie und Horwitz werden Experimente beschrieben, die zeigen, dass eine Unterteilung in Ingroup und Outgroup auch nach völlig willkürlichen Kriterien jederzeit herstellbar ist (Rabbie & Horwitz, 1969; Tajfel, Flament, Billig & Bundy, 1971; Turner, 1987). Das nährt zumindest den Verdacht, dass die Salienz und Essentialität religiöser, ethnischer, kultureller und nationaler Zugehörigkeiten gesellschaftlich-historisch, aber auch individuell jederzeit beliebig manipulierbar ist. Vertreter der Essentialität und Salienz interpretieren häufig die gesellschaftlichen Fakten ex post facto, so dass die These von der Bedeutsamkeit und Wesentlichkeit dieser Kategorien gegen jedes Scheitern an der Realität immunisiert wird."
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